Ob im privaten Bereich oder im geschäftlichen: Möchten Selbstständige einen Kredit aufnehmen, türmen sich vor ihnen riesige Hürden auf. Es ist deutlich schwerer, als Selbstständiger einen Kredit zu erhalten, als es für Angestellte der Fall ist. Aber warum ist das so und welche Möglichkeiten haben Freischaffende, um doch die Finanzierung zu erhalten?
Schwankende Einnahmen: Unsicherheit für Banken
Ein Kredit ist für eine Bank grundsätzlich ein gewisses Spiel mit dem Feuer. Der Kredit läuft über einen längeren Zeitraum und absolut sicher ist es nie, dass die verliehene Summe auch zurückbezahlt wird. Wird die Angelegenheit aus dieser Perspektive betrachtet, ist es durchaus verständlich, dass ein Selbstständiger von Haus aus gewisse Unsicherheiten mit in den Vertrag bringt:
- Einnahmen – ein Angestellter hat ein fixes Gehalt. Selbst bei Angestellten, deren Gehalt sich aus Provisionen errechnen, steht immer ein festes Grundgehalt auf dem Lohnzettel. Bei Selbstständigen ist dies anders. Nicht nur erhalten sie gar nicht unbedingt monatliche Einnahmen, die Höhe der Einnahmen schwankt auch massiv. Manche Selbstständigen erhalten teils nur zwei Mal im Jahr Geld – für zwei Projekte, die sich über Monate hinziehen. Regelmäßig ist in diesem Fall natürlich nichts.
- Absicherung – natürlich kann immer gesagt werden, dass auch ein Angestellter nicht weiß, wo er in zwei Jahren steht. Die Kündigung oder die Insolvenz des Unternehmens kann schneller kommen, als man glaubt. Trotzdem haben Angestellte über das Arbeitslosengeld wenigstens eine gewisse Sicherheit. Bei Selbstständigen entfällt dies, sie müssen bei Auftragsmangel von den Rücklagen leben.
- Kosten und Schulden – Schulden kann gewiss ein Arbeitnehmer haben. Doch Selbstständige haben, wenn der Betrieb nicht mehr läuft, weiterhin Kosten, die sie nicht eben reduzieren können. Zugleich müssen viele Selbstständige zuerst viel investieren, um überhaupt den Betrieb aufzubauen. Mitunter geht ein Selbstständiger also schon mit einer Schuldenlast in die Kreditanfrage hinein.
Für Kreditgeber ist es schwierig, einen Selbstständigen finanziell einzuschätzen. Sicher, handelt es sich um ein Unternehmen, bei dem monatlich seit Ewigkeiten Beträge in einer bestimmten Höhe eingehen, so ist die Rechnung einfacher. Doch wer langfristige und zeitraubende Projekte betreut, der erhält eher seltener Beträge oder nur Abschläge auf die Komplettbeträge. In diesem Fall lehnen Banken gerne ab.
Es gibt auch spezielle Kredite für Selbstständige
Natürlich gibt es trotzdem Kredite für Selbstständige, die sich auf die geschäftliche oder private Nutzung beziehen. Gerade im Internet finden Interessenten viele Angebote.
Doch auch, wenn ein Selbstständiger Angebote findet, so muss er mit mehr Aufwand rechnen:
- Steuernachweise – in der Regel sind Steuernachweise einzureichen, dies kann aber auch digital erfolgen. Ob es allein der Nachweis des vergangenen Geschäftsjahres ist oder ob Nachweise über mehrere Jahre geliefert werden müssen, wird vom Kreditgeber entschieden.
- Kontoauszüge/Kontencheck – ob nun Kontoauszüge eingereicht werden oder ob der digitale Kontencheck genutzt wird: Der Blick aufs Konto der letzten Monate ist fast immer notwendig.
- Sicherheiten – gerade bei höheren Beträge sind Sicherheiten gefragt. Diese können allerdings auch aus einem zweiten Kreditnehmer bestehen, wobei es in diesem Fall sinnvoller wäre, dass eben dieser zweite Kreditnehmer den Kredit aufnimmt und mit dem Selbstständigen intern einen privaten Darlehensvertrag zu denselben Konditionen schließt.
Meist ist auch eine längere Selbstständigkeit Pflicht. Wenige Angebote richten sich an Selbstständige, die weniger als drei Jahre die Selbstständigkeit ausüben.
Welche Alternativen gibt es?
Auch in Österreich gibt es Förderdarlehen für Selbstständige. Allerdings gilt natürlich, dass sämtliche Förderungen sich stets auf die Selbstständigkeit und nicht auf den Selbstständigen als Person beziehen. Das bedeutet:
- Betriebsausbau/Betriebseinrichtung – die Förderungen können zum Ausbau des eigenen Betriebs genutzt werden. Dazu zählen Büroräume, neue Büroeinrichtungen und neue Anlagen und Maschinen. Selbst die Unternehmens-Smartphones könnten darüber bezogen werden.
- Private Anschaffungen – die neue Couch zu Hause darf und kann nicht von den Fördergeldern bezahlt werden. Eine Ausnahme wäre mitunter die Sitzecke im Arbeitszimmer, wenn dort auch geschäftliche Treffen stattfinden, doch die Couch im Wohnzimmer ist Tabu. Selbst das Auto kann Zweifel aufwerfen. Ein Selbstständiger, dessen Büroräume im Anbau des Wohnhauses liegen und der kaum Kunden- oder Geschäftskontakte aushäusig hat, der wird den Wagen nicht über Fördermittel als Betriebskosten geltend machen können. Wer hingegen als Fotograf in ganz Österreich unterwegs ist, der kann den Wagen wenigstens teilweise privat nutzen.
Manchmal bieten sich nur P2P-Kredite an. Bei ihnen vergeben Privatpersonen Geld an Privatpersonen oder Selbstständige. Wie das funktioniert, ist unterschiedlich:
- Variante 1 – auf einer Plattform können Interessenten ein Kreditgesuch einstellen, auf welches sich nun Privatpersonen melden können, wenn sie bereit sind, Geld zu verleihen. Die Konditionen werden von den Parteien eigenständig ausgehandelt und schriftlich festgelegt.
- Variante 2 – eine Plattform agiert als Vermittler. Der Kreditnehmer fragt einen Kredit an, der intern geprüft wird. Gelangt er durch die interne Prüfung, so wird das Anliegen den privaten Kreditgebern vorgestellt, sodass es zu einer Zusage kommen kann.
- Variante 3 – sie ähnelt der vorherigen Variante, doch muss der Kreditnehmer, ähnlich wie bei Crowdfundingprojekten, sein Anliegen genau beziffern und dafür werben.
Alle drei Varianten können sich gut für Selbstständige eignen. Die Voraussetzung ist jedoch eine solide Bonität und eine gute Kredithistorie, denn auch die Privatpersonen wollen kein unnötiges Risiko eingehen. Je nach Plattform kann die Gewichtung der Anliegen auch abweichen. Auf einigen Plattformen werden eher solche Kredite an Selbstständige vergeben, die in nachhaltige berufliche Zukunftsprojekte investieren wollen, auf anderen hingegen ist auch der Ausgleich des Dispos oder die Anschaffung eines Autos ein kreditfähiges Unterfangen.
Fazit – niemals verzagen
Auch Selbstständige können einen Kredit erhalten. Sicherlich ist der Aufwand ein wenig größer, doch spätestens seit dem Crowdlending ist die Kreditvergabe in reichbare Nähe gerückt. Trotz allem sollten Selbstständige ihre Unterlagen vorab schon aufbereiten und griffbereit haben. Denn die wenigsten Kreditgeber verzichten darauf, verschiedene Unterlagen einsehen zu wollen.