Erst kürzlich wurde in Wien ein Straßenbahnfahrer entlassen, der aufgrund überhöhter Geschwindigkeit – er war statt der erlaubten 15 km/h mit 45 km/h unterwegs – die Straßenbahn zum Entgleisen brachte. Er wurde daraufhin fristlos entlassen. Hier liegt der Fall klar auf der Hand. Nicht immer sind fristlose Entlassungen jedoch so eindeutig. Das zeigt beispielsweise der Fall einer 64-jährigen Pädagogin aus Heidelberg in Deutschland. Die Erzieherin, die seit 32 Jahren für ein Internat tätig war, wurde fristlos entlassen, weil sie die Schokolade einer Mitarbeiterin gegessen hatte. Außerdem wurde ihr zur Last gelegt, die Waschmaschine des Internats für private Zwecke genutzt zu haben. Der Arbeitgeber wertete dies als Vertrauensbruch. Ob diese Entlassung in Österreich gerechtfertigt wäre, können Sie hier nachlesen.
Gründe für eine vorzeitige Entlassung
Die Gründe für eine vorzeitige Entlassung werden für den Angestellten im § 27, Angestelltengesetz, und für den Arbeiter im § 82, Gewerbeordnung von 1859 (!) – Gewerbliches Hilfspersonal gesetzlich geregelt.
Gesetzliche Entlassungsgründe für Angestellte nach § 27, Angestelltengesetz:
- Untreue im Dienst
- Schuldhafte Handlungen, die es dem Arbeitgeber unmöglich machen, dem Angestellten weiterhin Vertrauen entgegenzubringen
- Nichterbringen der versprochenen Arbeitsleistung
- Die Arbeitsleistung ohne rechtmäßigen Hinderungsgrund unterlassen oder sich beharrlich weigern, diese zu erbringen
- Betreiben eines selbstständigen kaufmännischen Unternehmens im selben Geschäftszweig ohne Einwilligung des Arbeitgebers und damit verbundenes Betreiben von Geschäften auf eigene oder fremde Rechnung
- Abwesenheit aufgrund einer längeren Freiheitsstrafe
- Verletzungen der Sittlichkeit oder Ehre oder Tätlichkeiten gegen den Arbeitgeber oder die Mitarbeiter (z.B.Diebstahl, Veruntreuung, Körperverletzung)
Gesetzliche Entlassungsgründe für Arbeiter nach § 82, Gewerbeordnung von 1859:
- Täuschung durch Vorlegen falscher Zeugnisse, Papiere bei Abschluss des Arbeitsvertrages
- Nicht in Kenntnis setzen über das Bestehen eines anderen Arbeitsverhältnisses
- Beharrliche Pflichtverletzung
- Für die zu verrichtende Arbeit als unfähig befunden werden
- Unbefugtes Verlassen der Arbeit
- Der Alkoholsucht trotz mehrmaliger erfolgloser Warnung verfallen
- Diebstahl, Veruntreuung oder sonstige strafbare Handlungen gegen den Arbeitgeber oder die Mitarbeiter
- Grobe Ehrenbeleidigung, Körperverletzung oder gefährliche Drohung gegen den Arbeitgeber oder die Mitarbeiter
- Verraten von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen
- Betreiben eines Nebengeschäftes ohne Einwilligung des Gewerbeinhabers
- Verleiten der übrigen Arbeiter zum Ungehorsam, zur Auflehnung gegen den Gewerbeinhaber, zu unordentlichem Lebenswandel oder zu unsittlichen oder gesetzwidrigen Handlungen
- Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer abschreckenden Krankheit
- Verbüßen einer 14 Tage übersteigende Freiheitsstrafe
Wann muss die fristlose Entlassung ausgesprochen werden
Die Entlassung muss unverzüglich nach Bekanntwerden des Entlassungsgrundes ausgesprochen werden. Wird die Entlassung nicht unverzüglich ausgesprochen, handelt es sich um eine ungerechtfertigte Entlassung.
Wie muss die fristlose Entlassung erfolgen?
In diesem Fall gibt es keine Formvorschriften. Eine vorzeitige Entlassung kann schriftlich, mündlich oder auch stillschweigend erfolgen. Stillschweigend kann eine fristlose Entlassung dann rechtsgültig erfolgen, wenn die stillschweigenden Handlungen des Arbeitgebers unzweifelhaft als sofortige Beendigung gedeutet werden kann.
Ab wann beendet die fristlose Entlassung das Arbeitsverhältnis?
Sobald die Entlassung erfolgt, ist das Arbeits- oder Dienstverhältnis beendet.
Welche Konsequenzen zieht eine gerechtfertigte Entlassung nach sich?
Dem Arbeitnehmer entstehen in diesem Fall finanzielle Nachteile. Er muss eventuell den zu früh verbrauchten Urlaub zurückzahlen, verliert seine Abfertigungsansprüche sowie den Anspruch auf anteilige Sonderzahlungen (13. Und 14. Gehalt). Außerdem kann der Arbeitgeber Schadensersatzansprüche stellen. Als weitere Konsequenz wird vom Arbeitsamt das Arbeitslosengeld für die ersten 28 Tage gesperrt.
Welche Schritte müssen eingeleitet werden, wenn eine Entlassung ohne Vorliegen eines gesetzlichen Entlassungsgrundes ausgesprochen wurde?
Wenn kein gesetzlicher Entlassungsgrund vorliegt, kann der Arbeitnehmer diese anfechten. Der erste Schritt sollte entweder der Gang zum Betriebsrat, ein Telefonat mit der Gewerkschaft oder der Arbeiterkammer des jeweiligen Bundeslandes sein.
Welche Konsequenzen kann eine ungerechtfertigte Entlassung haben?
Arbeitnehmer erhalten in diesen Fällen eine Kündigungsentschädigung in der Höhe des Entgeltes der nicht eingehaltenen Kündigungsfrist inklusive der anteiligen Sonderzahlungen (13. Und 14. Gehalt). Sollte in der nicht eingehaltenen Kündigungsfrist ein Abfertigungssprung nach alter Abfertigung erfolgen, erhöht sich überdies die Summe der Abfertigung.
Wer darf nicht fristlos entlassen werden?
Bei allen Arbeitnehmern, die unter besonderen Entlassungsschutz stehen, ist eine ausgesprochene vorzeitige Entlassung ungerechtfertigt.
- Frauen im Mutterschutz
- Eltern im Karenzurlaub
- Betriebsräte und gleichgestellte Personen
- Frauen und Männer im Präsenz- oder Zivildienst (Ausbildungsdienst)
Ausnahme: Wenn das Gericht der Rechtswirksamkeit zustimmt, kann es auch bei geschützten Arbeitnehmern zu einer fristlosen Entlassung kommen.
Welche Konsequenzen kann ein fristlos entlassener Arbeitnehmer ziehen?
Der Arbeitnehmer, der besonderen Entlassungsschutz genießt, kann sich entscheiden, ob er weiterhin für das Unternehmen tätig sein will, oder der Entlassung zustimmen. Die Zustimmung des Arbeitnehmers geht mit Ersatzansprüchen einher.
Was glauben Sie? Wurde die Erzieherin aus Deutschland nach Anfechtung tatsächlich entlassen? Nein. Auch dort wurden die angegebenen Entlassungsgründe als Bagatellfall behandelt. Die Entlassung wurde vom Arbeitgeber in eine Abmahnung umgewandelt. Das Arbeitsverhältnis wurde fortgesetzt.